Nach übereinstimmenden Medienberichten wird es mit großer Wahrscheinlichkeit kein sogenanntes "No-Spy-Abkommen" zwischen den USA und Deutschland geben. In den vergangenen Wochen sah jedoch auch die Bundesregierung einen solchen Antispionagevertrag als durchaus realisierbar, vielleicht sogar als realistisch an. Prominent platziert kommt die Negativmeldung nun überraschend und mit einem endgültigen Unterton. Aber ist diese Wendung wirklich so überraschend?
Schauen wir noch einmal in den Rückspiegel: Im Juni 2013 veröffentlicht die britische Zeitung "The Guardian" die ersten Berichte über die Spionagepraktiken der NSA. Nur kurze Zeit später tritt Edward Snowden an die Öffentlichkeit und macht seine Identität als Informant des Guardian bekannt. Von diesem Tag an sollte sein Name die Schlagzeilen der internationalen Presse beherrschen. Die Reihe der Enthüllungen setzt sich bis heute fort. Spätestens seit den Berichten über das Abhören des Mobiltelefons von Bundeskanzlerin Angela Merkel empfinden viele Menschen, dass die NSA eine Grenze überschritten hat. War im Vorfeld noch die Terrorismusabwehr in weiten Teilen der Bevölkerung als plausibles Argument gültig, so war diese Begründung nun so nicht mehr zu halten. Es hat sich allgemein der Eindruck manifestiert, dass die NSA prinzipiell alles und jeden abhören kann, wenn sie denn nur will oder es nicht sowieso schon tut.
Bereits im Sommer 2013 wurden zwischen Deutschland und den USA Verhandlungen über ein No-Spy-Abkommen begonnen. Durch einen derartigen Vertrag hätten sich beiden Staaten auf verbindliche Richtlinien für ihre geheimdienstlichen Aktivitäten im jeweils anderen Land geeinigt. BND-Präsident Gerhard Schindler höchstpersönlich sollte mit dem Direktor der NSA Keith Alexander verhandeln. Die Bundesregierung machte überaus deutlich, dass sie an einem Erfolg großes Interesse habe. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte dazu am 8. November 2013: "Wir brauchen nach dem eingebüßten Vertrauen - das ist nach den Verunsicherungen der vergangenen Woche und Monate völlig klar - eine klare Grundlage. Dazu werden Zusicherungen gehören. Unsere Grundsätze dabei waren immer klar: Es muss für deutsche Bürger klar sein, dass der Datenschutz, der Schutz ihrer Privatheit auch wirklich gilt, dass er durch unsere Dienste wie auch durch die Dienste anderer Staaten eingehalten wird und dass in Deutschland die deutschen Gesetze gelten. Das sind die Grundlagen unserer Haltung." [1].
Und nun das (wahrscheinliche) Ende. Im ersten Moment scheint es vielleicht überraschend zu sein. Da sind auf der einen Seite die politisch durchaus peinlichen Veröffentlichungen über die US-amerikanischen Geheimdienste. Auf der anderen Seite steht empört der Rest der Welt. In dieser Situation lassen die USA ein Abkommen mit einem langjährigen Verbündeten einfach so platzen. Man könnte fragen: Haben die denn gar nichts aus ihrem Verhalten gelernt? Der Politologe Andrew Denison hat in einem Interview mit dem Deutschlandfunk den Finger in die Wunde gelegt: "Ich glaube, es gab da jede Menge falsche Erwartungen, Deutschland könnte, oder die, die ein No-Spy-Abkommen wollten, könnten nicht erklären, warum das wirklich ein großes Interesse von Amerika wäre. Ich habe immer gesagt, es ist unwahrscheinlich, dass Amerikaner über Quellen oder Methoden reden. Sie werden alles leugnen." [2]. Diese Sichtweise ist nur konsequent. Wenn man die Chuzpe registriert, die für die Datensammlungen der NSA auf allen Ebenen und Kanälen, bei Freund und Feind, notwendig ist, dann ist die Erwartung an eine erfolgreiche Durchsetzung eines No-Spy-Abkommens höchst naiv.
Es wäre noch am ehesten zu erwarten gewesen, dass die USA einen inhaltlich nahezu beliebigen Vertrag mit Deutschland vereinbaren, diesen dann aber - top secret - missachten und einfach dort weitermachen wo sie aufgehört haben. Dies wäre dann eine oberflächliche Maßnahme von politischer Kosmetik gewesen. Daher ist wenn überhaupt einzig die Offenheit überraschend, mit der die USA nun das deutsche Anliegen abblitzen lassen. Vielleicht haben sie sich aber auch einfach nur eine deutsche Weisheit zu eigen gemacht: Ist der Ruf erst einmal ruiniert, ...
Referenzen
[1] Bundesregierung, 2013: Regierungspressekonferenz vom 8. November. URL: http://www.bundesregierung.de/ContentArchiv/DE/Archiv17/Mitschrift/Pressekonferenzen/2013/11/2013-11-08-regpk.html (15.01.2014)
[2] Deutschlandfunk, 2014: No-Spy-Abkommen - "Es gab da jede Menge falsche Erwartungen". URL: http://www.deutschlandfunk.de/no-spy-abkommen-es-gab-da-jede-menge-falsche-erwartungen.694.de.html?dram:article_id=274640 (15.01.2014)
Wohl wahr! Ich hatte da auch nichts anderes erwartet.
Ich fürchte, wir Normalbürger werden uns an diese Überwachung gewöhnen müssen - und entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen, z.B. PGP-Verschlüsselung bei eMails. Das ist die logische Konsequenz!
Weißt Du eigentlich etwas über das Freihandelsabkommen?
Die Verhandlungen zum transatlantischen Freihandelsabkommen laufen. Es ist offensichtlich nicht gewünscht, diese Thematik mit forschen Ansprüchen an eine geregelte Spionagetätigkeit zu verknüpfen. So wurde es ja auch in der Vergangenheit offen kommuniziert.